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Datum: 01.12.2025

Landesrechnungshof stellt Prüfbericht zur Schwimmhallensanierung vor

Der Bericht zur überörtlichen Prüfung des Sport- und Freizeitbetriebes und der Stadt Weißenfels im Zusammenhang mit der Sanierung der Schwimmhalle Weißenfels durch den Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt wurde im Rahmen des Sonderstadtrates am 27. November 2025 im Kulturhaus vorgestellt. Florian Philipp, Leiter der Abteilung 4 des Landesrechnungshofes, sprach fast eine Stunde lang über Pflichtverletzungen, Versäumnisse und Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Bauprojekt. Etwa 40 Bürgerinnen und Bürger verfolgten in der öffentlichen Sitzung, wie es zu dem Debakel bei der Schwimmhallensanierung kommen konnte. Der komplette Prüfbericht des Landesrechnungshofes steht zur Einsicht hier auf der Internetseite der Stadt Weißenfels zur Verfügung (s. rechte Spalte). Auch die Präsentation des Landesrechnungshofes kann heruntergeladen werden. Fragen zum Prüfbericht können Bürgerinnen und Bürger per E-Mail an stadtrat@weissenfels.de richten.

Konkret geht es bei der Prüfung um den Zeitraum vom Jahr 2016 bis zum Jahr 2022. Der Prüfbericht adressiert die Funktionen. Sowohl im Amt des Oberbürgermeisters als auch bei der Betriebsleitung des Sport- und Freizeitbetriebes gab es mittlerweile einen Wechsel.

Zusammenfassend ist es grundsätzlich für die Prüfer nicht nachvollziehbar, warum überhaupt der Weg einer Schwimmhallen-Sanierung eingeschlagen wurde. Der Landesrechnungshof hat in seinem Prüfbericht grobe haushaltsrechtliche, vergaberechtliche und kommunalrechtliche Verstöße festgestellt. Im weiteren Verlauf führten weitere Pflichtverletzungen dazu, dass die notwendige Kontrolle über das Bauprojekt nicht ausgeübt wurde. So war ein rechtzeitiges Gegensteuern nicht möglich. Aufgrund der vielen Mängel in der Bauausführung und der unzureichenden Kontrolle kam es zum Baustopp. Verantwortlich dafür waren laut dem Landesrechnungshof die damalige Betriebsleitung des Sport- und Freizeitbetriebs, der Betriebsausschuss und der ehemalige Oberbürgermeister. Der monetäre Schaden für die Stadt Weißenfels beträgt zum jetzigen Zeitpunkt etwa 4,25 Millionen Euro. Der Landesrechnungshof erwartet von der Stadt Weißenfels die Prüfung der Schadenshaftung der verantwortlichen Personen. Dazu gehört auch die konsequente Prüfung und Durchführung von Regressforderungen gegenüber beauftragten Dritten.

„Es war die richtige Entscheidung den Landesrechnungshof einzuschalten und um Hilfe zur Aufklärung des Sachverhaltes zu bitten“, sagte Oberbürgermeister Martin Papke im Anschluss an die Vorstellung des Prüfberichts. Er versicherte zudem, dass die Stadt Weißenfels alle Möglichkeiten des Rechtsstaates nutzen wird.  

Ergebnisse und Forderungen des Prüfberichts des Landesrechnungshofes:

Zum einen geht es im Prüfbericht um die Organisation des Sport- und Freizeitbetriebs der Stadt Weißenfels. Der Landesrechnungshof ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die damalige Betriebsleitung ihre Dienstpflichten verletzt hat, weil sie den Betriebsausschuss nicht kontinuierlich über wesentliche Angelegenheiten im Sanierungsprozess der Schwimmhalle informiert hat. Entscheidungen mit teils erheblichen finanziellen Auswirkungen wurden so – entgegen der gesetzlichen Zuständigkeit – nicht durch den Betriebsausschuss, sondern durch die Betriebsleiterin getroffen. Der Stadt Weißenfels wird empfohlen, für diese grobe Pflichtverletzung die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit zu prüfen. Im Umkehrschluss wies Florian Philipp aber auch darauf hin, dass der Betriebsausschuss die Pflicht hat, die Betriebsleitung zu überwachen, indem beispielsweise Informationen eingefordert werden, um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Diese Aufgabe wurde laut Einschätzung des Landesrechnungshofes von den Ausschussmitgliedern mangelhaft vorgenommen. Auch hier sieht der Prüfbericht die Notwendigkeit, dass die Haftung des Betriebsausschusses geprüft wird.
Für besonders kritikwürdig hält der Landesrechnungshof, dass der damalige Oberbürgermeister den Stadtrat nicht in allen wesentlichen Angelegenheiten des Sanierungsprojektes unverzüglich und vollständig unterrichtet hat. Im betreffenden Zeitraum hat der Betriebsausschuss laut Florian Philipp 23-mal getagt. Informiert wurde der Stadtrat vom Oberbürgermeister aber nur dreimal. Der Landesrechnungshof hält es für notwendig, die disziplinarrechtliche und haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des damaligen Oberbürgermeisters zu prüfen.
Ein Kritikpunkt ist zudem, dass der Sport- und Freizeitbetrieb kein Regelwerk für Arbeitsabläufe sowie Verantwortlichkeiten und Berechtigungen der Mitarbeitenden hat. Um künftig rechtssicher agieren zu können, hat der Landesrechnungshof den Eigenbetrieb deshalb beauftragt, umgehend solch ein Regelwerk zu erstellen. Zudem soll der Eigenbetrieb seine Akten künftig vollständig und systematisch führen.

Der zweite Bereich des Prüfberichts bezieht sich auf die Entscheidung zur Sanierung der Schwimmhalle Weißenfels und die Vorbereitung des Projektes. Der Landesrechnungshof übt große Kritik am Sport- und Freizeitbetrieb und an der Stadt Weißenfels, dass bei einer Entscheidung mit einer solch erheblichen finanziellen Tragweite vorab keine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vorgenommen wurde. Eine Übersicht über Investitions- und Folgekosten lag nicht vor. Eine Abwägung zwischen Sanierung und Neubau erfolgte nicht. Die Bäderkonzeption aus dem Jahr 2002 zeigte bereits auf, dass der Bedarf an einem Nichtschwimmerbecken besteht. Zwei extern erstellte Gutachten aus den Jahren 2013 und 2015 kommen zu dem Ergebnis, dass die Schwimmhalle Weißenfels nicht sanierungsfähig ist bzw. eine Sanierung ein erhebliches Risiko berge. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte stellt der Beschluss des Betriebsausschusses für eine Sanierung der Schwimmhalle Weißenfels im Jahr 2016 laut Florian Philipp einen gravierenden Schlüsselmoment dar. Die Ausschussmitglieder wussten, dass der Bedarf (Nichtschwimmerbecken, Barrierefreiheit,…) bei der Sanierung nicht abgebildet werden kann und kannten auch die Ergebnisse der Gutachten. Vor diesem Hintergrund bezeichnet der Landesrechnungshof die Entscheidung als nicht nachvollziehbar.
Kritik übt der Prüfbericht auch an der Vergabe der Leistungen. De facto kam es hier nicht zu einem rechtlichen Verstoß, doch der Landesrechnungshof kritisiert, dass Bauplanung und Bauüberwachung an einen Bewerber vergeben wurden. Dadurch fehlte ein Korrektiv. Das Planungsbüro konnte sich selbst kontrollieren. Generell war das Planungsbüro im Vergabeverfahren der einzige Bewerber. Die Referenzen des Büros waren unzureichend. Auch wenn es sich nicht um einen rechtlichen Verstoß handelt, hätte der Landesrechnungshof an dieser Stelle empfohlen, das Vergabeverfahren abzubrechen und die Leistungen neu auszuschreiben.
Im weiteren Verlauf wurde gegen den Grundsatz der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit verstoßen. Die Kosten für das Sanierungsvorhaben wurden im Wirtschaftsplan des Sport- und Freizeitbetriebes zu niedrig angesetzt. Lediglich 3,2 Millionen Euro wurden für die Haushaltsplanung angemeldet. Die vorliegenden Gutachten aus den Jahren 2013 und 2015 hatten höhere Kosten für die Sanierung der Schwimmhalle ermittelt. Die Weißenfelser Stadtverwaltung ist laut Florian Philipp verpflichtet, den Stadträten nach bestem Wissen und Gewissen Haushaltszahlen vorzulegen. Mit der niedrigen Investitionssumme wurden auch Fördermittel beantragt, die im Jahr 2019 vom Land Sachsen-Anhalt bewilligt wurden.

Im dritten Bereich führt der Prüfbericht Verstöße bei der Baudurchführung auf. So erfolgte die Sanierung der Schwimmhalle Weißenfels ohne Baugenehmigung. Anfängliche Instandsetzungen hätten noch keiner Baugenehmigung bedurft. Später erfolgte aber beispielsweise eine Betonsanierung der Decke, was einen Eingriff in die Statik darstellt. Auch Rettungswege wurden verändert. Spätestens an diesem Punkt hätte die Betriebsleitung des Sport- und Freizeitbetriebs als Bauherr eine Baugenehmigung beantragen müssen. Der Landesrechnungshof erwartet von der Stadt Weißenfels eine Prüfung der möglichen Schadenshaftung unter anderem gegenüber der Betriebsleitung und dem beauftragten Planungsbüro.
Dem Landesrechnungshof konnte zudem kein Bautagebuch vorgelegt werden. In einem Bautagebuch führt das Planungsbüro die erfolgten Arbeiten auf. Es dient dem Bauherrn zur Bauüberwachung und bei der Abrechnung von Fördermitteln als Verwendungsnachweis. Die Bauüberwachung durch den Sport- und Freizeitbetrieb war folglich unzureichend. Als Bauherr hätte die Betriebsleitung die Vorlage des Bautagebuchs vom Planungsbüro einfordern und gegebenenfalls mittels  Rechnungskürzungen durchsetzen müssen. Stattdessen wurden laut Florian Philipp alle Rechnungen des Planungsbüros bezahlt – eine grobe Pflichtverletzung der Betriebsleitung. Auch die Sachbearbeiterin, die beim Eigenbetrieb für das Projekt Schwimmhallensanierung zuständig war, hätte hier tätig werden müssen. Durch sie wurden auch mangelhafte Leistungen abgenommen. Das belegen Abnahmeprotokolle. Aufgrund des fehlenden Regelwerkes beim Sport- und Freizeitbetrieb ist jedoch nicht klar, ob die Sachbearbeiterin dazu überhaupt berechtigt gewesen ist. Durch die Abnahme der mangelhaften Leistungen verliert der Bauherr Regressansprüche. Als Beispiel nannte Florian Philipp die mangelhafte Deckensanierung. Die Decke wurde aber trotzdem abgenommen und auch die Rechnung für die erbrachten Deckenarbeiten wurde bezahlt. Der Landesrechnungshof hält es für notwendig, dass der Sport- und Freizeitbetrieb umgehend das Planungsbüro unter Fristsetzung zur Herausgabe des Bautagebuchs auffordert. Sollte dies nicht erfolgen, hat der Eigenbetrieb Regeressforderungen gegenüber dem Planungsbüro zu prüfen. Auch eine finanzielle Haftung der Betriebsleitung und der Sachbearbeiterin ist zu prüfen. 
Aufgrund der zu niedrig angesetzten Kosten musste der Sport- und Freizeitbetrieb während der Baudurchführung immer wieder enorme Kostennachträge anzeigen. Die Kostensteigerungen lagen weit über dem normalen Rahmen von 20 Prozent. Bei der Deckensanierung erhöhten sich die Kosten beispielsweise um knapp 257 Prozent (Angebot in Höhe von etwa 291.000 Euro im Jahr 2020, Anstieg der Kosten auf fast eine Millionen Euro im Jahr 2022). Der Landesrechnungshof sieht an dieser Stelle einen Missbrauch des Nachtragswesens. Es wurde vergaberechtswidrig gehandelt, weil bei derartig hohen Kostennachträgen die Leistungen als neue Aufträge wieder hätten ausgeschrieben werden müssen. Sollten der Stadt Weißenfels oder dem Eigenbetrieb durch diese vergaberechtlichen Verstöße Schäden entstanden sein, fordert der Landesrechnungshof die Stadt Weißenfels auch an dieser Stelle auf, die Schadenshaftung der verantwortlichen Personen zu prüfen.
Bei seiner Prüfung ist dem Landesrechnungshof zudem in vier Fällen aufgefallen, dass Rechnungen überzahlt wurden. Eine Begründung für die Überzahlungen konnte nicht vorgelegt werden. Insgesamt handelt es sich um etwa 97.000 Euro. Kritisiert wurde auch, dass der Eigenbetrieb trotz Baustopp noch alle Rechnungen bezahlt hat. Der Landesrechnungshof erwartet, dass der Sport- und Freizeitbetrieb und die Stadt Weißenfels die Differenzen bei den überbezahlten Rechnungen aufklären und gegebenenfalls die zu viel gezahlten Beträge zurückfordern. 


Hintergrund Schwimmhallen-Sanierung:

Die Schwimmhalle Weißenfels des Typs Anklams wurde im Jahr 1969 errichtet. Der Betriebsausschuss des Sport- und Freizeitbetriebes der Stadt Weißenfels fasste im Juni 2016 den Beschluss, die Schwimmhalle zu ertüchtigen. Für das Vorhaben wurden im September 2018 Fördermittel beantragt, welche im Dezember 2019 bewilligt wurden. Es folgte die Beauftragung eines Planungsbüros im April 2020. Im Oktober desselben Jahres startete die Sanierung der Schwimmhalle. Knapp zwei Jahre später – im August 2022 – erfolgte der Baustopp. Seitdem ruht die Baustelle. Die bereits erhaltenen Fördermittel in Höhe von 1,65 Millionen Euro wurden an das Land Sachsen-Anhalt zurückgezahlt (Stadtratsbeschluss 12/2024).