Inhalt
Datum: 07.03.2025

Raritäten im Weißenfelser Stadtarchiv: Historische Urkunden und Kunstwerke aus vergangenen Zeiten

Das Weißenfelser Stadtarchiv hatte im Jahr 2024 insgesamt 303 schriftliche Anfragen; ein Anstieg um 49 Anfragen im Vergleich zum Vorjahr. Vor Ort recherchierten insgesamt 140 Personen zu historischen Inhalten. Hier lag der Anteil im Vorjahr mit 114 Terminen ebenfalls auf einem niedrigeren Niveau. Die telefonischen Auskünfte werden aktuell statistisch nicht berücksichtigt, aber auch hier erlebte das dreiköpfige Archiv-Team einen deutlichen Aufschwung.

Für eine Überraschung sorgte ein Paket, welches das Stadtarchiv im Juli 2024 erreichte. Es enthielt die „Innungsartikel der Lohgerber zu Weißenfels“ aus dem Jahr 1670 sowie das „Innungsbuch der Lohgerberinnung zu Weißenfels“ aus dem Zeitraum von 1561 bis 1654. Absender war das Stadtarchiv Meißen, doch das Päckchen hatte bereits eine Odyssee hinter sich. Denn ursprünglich hatte das Stadtarchiv Innsbruck die Unterlagen entdeckt und sie aufgrund eines Lesefehlers irrtümlicher Weise nach Meißen geschickt. Das Wort „Weißenfels“ findet sich im Text des Innungsbuches zwar kaum wieder, aber aufgrund der Auflistung der Innungsmitglieder und einem Abgleich mit dem Bürgerbuch der Stadt Weißenfels konnte das Schriftstück eindeutig der Saalestadt zugeordnet werden. Das Innungsbuch ist nun eine der ältesten Akten im Archivbestand, der außerdem knapp 270 historische Urkunden vom 15. bis zum 20. Jahrhundert umfasst. Beide Archivalien werden mithilfe von Spenden aus der Aktion „Paten gesucht“ des Fördervereins Museum Weißenfels e.V. aktuell restauriert.

Die Zusammenarbeit zwischen dem Stadtarchiv und dem Förderverein hat mittlerweile Tradition. Ohne die Spenden und Fördergelder wären beispielsweise die Restaurierungen von zwei Urkunden aus dem Archivbestand im Jahr 2024 nicht möglich gewesen. Dabei handelte es sich um eine Denkschrift zur Aufsetzung einer neuen vergoldeten Kugel auf dem mittleren Schlossturm aus dem Jahr 1712 sowie um eine Urkunde aus dem Jahr 1661 mit der von Kurfürst Christian von Sachsen-Weißenfels bestätigten Kleiderordnung für die Bürgerinnen und Bürger jener Zeit. Letzteres ist ein besonders interessantes Schriftstück, schließlich wurde bis ins kleinste Detail dargestellt, wie sich die Personen aus den unterschiedlichen Ständen während der Barockzeit in Weißenfels kleiden durften. Vorgeschrieben war zudem, wie sie sich bei besonderen Anlässen wie Hochzeit, Taufe oder Begräbniss und bei alltäglichen Zusammenkünften wie beim Spielen oder Zechen zu verhalten hatten. Im Rahmen der Restaurierung wurde die Urkunde gereinigt und geglättet. Das kurfürstliche Siegel erhielt ebenfalls eine Frischekur und eine neue Halterung.

Ein weiteres Paket, das im Stadtarchiv für Freude sorgte, kam aus Steinheim im Landkreis Höxter. Es enthielt eine Mappe mit vier Radierungen des Malers Carl Fleege aus den 1920er Jahren. Carl Fleege wurde im Jahr 1871 in Niederschlesien geboren, studierte an der Berliner Kunstakademie und verstarb im Jahr 1930 in Berlin-Charlottenburg. Seine Künstlermappen mit Radierungen von Stadt- und Landschaftsansichten aus Deutschland sind bekannt. Die Auflage der Weißenfelser Mappe war recht klein. Sie ist eine Rarität und kann in den Antiquariaten und Aktionshäusern derzeit nicht erworben werden. Die vier Radierungen, die sich nun im Bestand des Weißenfelser Stadtarchivs befinden, waren Nachlassfunde. Die Bilder zeigen den Klosterhof, die Saale, den Marktplatz mit Schlossblick und die nahegelegene Rudelsburg.

Bei den schriftlichen Archivanfragen setzt sich wie in den Vorjahren der Trend der Familienforschung, Erbenermittlung und behördlichen Personenermittlung fort. Von den insgesamt 303 Anfragen beschäftigen sich 230 Anfragen mit diesem Themenfeld. Dabei erreichten die Archivmitarbeiterinnen im Jahr 2024 besonders viele Anfragen aus Brasilien. Es sind Nachfahren ehemaliger deutscher Auswanderer, die sich nun im Rahmen ihres Einbürgerungsverfahrens Unterstützung vom Weißenfelser Stadtarchiv erhoffen. Helfen konnten die Mitarbeiterinnen aber nur bedingt, denn anhand der Unterlagen lassen sich erst ab dem Jahr 1874 Geburten nachweisen. Vor dieser Zeit erfassten die Kirchenämter diese Daten.

Ein weiterer Schwerpunkt, bei dem im Jahr 2024 eine deutliche Steigerung der Anfragen zu verzeichnen war, sind Auskünfte im Rahmen von Rehabilitationsverfahren. So sollten zu DDR-Zeiten zahlreiche Kinder und Jugendliche in so genannten Jugendwerkhöfen umerzogen werden – ein Bruch in der Lebensentwicklung der Betroffenen. Dank des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes können diese für das erlittene Unrecht eine Entschädigung beantragen. Anhand der Einwohnermeldekartei kann das Weißenfelser Stadtarchiv meist den Aufenthalt in Jugendwerkhöfen bestätigen – ein Nachweis, der für Betroffene essentiell ist.  

Anfragen erhält das Archiv-Team zudem regelmäßig vom Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes und vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, die auch Jahrzehnte nach Kriegsende noch Angehörige von Gefallenen im Zweiten Weltkrieg suchen. Auch zum ehemaligen jüdischen Leben in Weißenfels, zur Geschichte des Gloria Filmpalastes, zu Straßennamen und zu bedeutenden historischen Persönlichkeiten aus Weißenfels wie Horst P. Horst wurde im Jahr 2024 im Stadtarchiv geforscht. Bei den Vor-Ort-Recherchen ging es vorwiegend um die Weißenfelser Industriegeschichte. Aber auch die neuere Geschichte der Saalestadt wie beispielsweise die Eisengießerei Hoddick & Röthe, der Bau des Georgenbergtunnels, die Saaleschifffahrt oder die Entwicklung des Wohngebietes Weißenfels-West interessierte die Menschen.

Trotz der ereignisreichen Jahresrückschau ist der Blick in die Zukunft für das Weißenfelser Stadtarchiv getrübt. Ein Archivneubau ist nicht in Sicht, eine bauliche Erweiterung am aktuellen Standort in der Burgstraße 22a nicht möglich. Dabei wird mehr Platz dringend gebraucht. So ist die Situation beim Verwaltungsarchiv weiterhin sehr angespannt. Die Verwaltungsakten sind dezentral in verschiedenen Räumen und an verschiedenen Orten untergebracht, die allesamt nicht für die Schriftgut-Archivierung geeignet sind. Hinzu kommt, dass für Bürgerinnen und Bürger auch der Standort des Stadtarchivs in der Burgstraße 22a zum Beispiel aufgrund der fehlenden Barrierefreiheit nicht nutzerfreundlich ist.

Ebenfalls für die Archivmitarbeiterinnen nicht mehr möglich: Öffentlichkeitsarbeit, Schulprojekte und die Teilnahme an der Museumsnacht mit kleinen Ausstellungen. Es wäre wünschenswert, dass die umfassenden und hochinteressanten Archivbestände in Zukunft wieder der breiten Öffentlichkeit präsentiert werden können. Ein wichtiger Schritt für die Sicherung und Erhaltung der einmaligen und unersetzlichen Dokumente der Stadtgeschichte sowie deren Zugänglichmachung wird die Digitalisierung sein. Eine bauliche Lösung – vor allem in Bezug auf das Verwaltungsarchiv – wird trotzdem unumgänglich sein.