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Hier schreibt der Oberbürgermeister

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

was war das für ein wunderbares Stadtfest. Ich danke dem Kulturamt, allen Ehrenamtlichen und allen, die unser Fest besucht haben. Es waren friedliche vier Tage. Um jenen unter Ihnen die Möglichkeit zu geben, die zum Eröffnungsabend keine Zeit hatten zu kommen, hier meine Rede:

„Meine sehr geehrten Damen und Herren, […] Ich möchte heute über einen wichtigen Begriff zu Ihnen sprechen. Ein Begriff, der in der Vergangenheit auch ideologisiert und missbräuchlich verwendet wurde, weil eine gehörige Kraft von ihm ausgeht. Es geht um MUT! In vielen Sprachen ist dieses Wort geläufig und besonders aus dem lateinischen Wort für Mut, nämlich Animo, wird ein sehr schönes Bild Übertragen: Kopf hoch. Bei dem einen oder anderen unter Ihnen ist Mut möglicherweise mit Manövern verbunden, die an jugendliche Waghalsigkeit und Leichtsinn erinnern. Doch so, wie ich Mut verstehe, geht es hier um eine Qualität oder vielmehr um eine Haltung, die stark mit Emotionen und Gradlinigkeit verbunden ist.

Dazu ein Blick in unsere deutsche Geschichte: Es ist der 9. September 1948. Seit drei Monaten wird West-Berlin von den Sowjets abgeriegelt. Moskau versuchte auf diese Weise, ganz Berlin unter seine Kontrolle zu bekommen. Die West-Alliierten versorgen daraufhin die Stadt über die sogenannte Luftbrücke. Die West-Berliner sind entschlossen, sich nicht einnehmen zu lassen und demonstrieren ihren Willen am 9. September 1948 auf einer großen Kundgebung vor dem zerstörten Reichstagsgebäude. 350.000 Einwohner sind gekommen, wichtiger Redner ist Ernst Reuter – eigentlich gewählter Oberbürgermeister der Stadt Berlin, doch die Sowjets erkennen ihn in diesem Amt nicht an. Er spricht deshalb als einfacher Stadtrat. Seine Rede macht nicht nur den Berlinern Mut, sondern auch den Alliierten, die Luftbrücke aufrecht zu erhalten.

Der bis heute nachklingende Ausruf Reuthers: „Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt!“ hallt noch weiter bis ins Heute. Ernst Reuther konzentriert in diesen wenigen Worten alles, was zu sagen ist. Nach dem schrecklichen Krieg, der vom deutschen Boden ausgegangen ist, inmitten der Wüste zerstörter kultureller Identität seiner Stadt und unter dem Eindruck des politisch anwachsenden Drucks der Sowjets fordert er alle auf, die Perspektive, den Blick nach Berlin zu richten. Reuthers Mut kam zur rechten Zeit. Mut, das auszusprechen, was ist, nichts hinter dem Berg zu halten. Das ist es, was die Menschen verstehen und was die Menschen motiviert.

Doch wie sieht es in diesen Tagen in Weißenfels aus? Ich weiß nicht, ob Sie es kennen: Der Hang zur städtischen Selbstkasteiung scheint bei einigen geübte Praxis zu sein. Früher war alles besser, es sah schöner aus, da ging noch was, da müssen wir wieder. Das Schlechtreden über die eigene Stadt, über ihre Menschen und die tägliche Vergabe von Haltungsnoten wie bei der Muppet-Lounge bringt doch niemandem etwas. Aus Quellen ist zu entnehmen, dass bereits vor 200 Jahren ein murrendes Grundrauschen in der Weißenfelser Bürgerschaft herrschte. Unzufrieden, Missgunst und schlechtes Reden über „dies und das“ gehörten zum Alltag vieler. Doch warum nur? Gibt es einen über Generationen hinweg tradierten Weißenfelser Unmut und wenn ja, wurde er durch die geschichtlichen Ereignisse verstärkt?

Ich bin wie viele andere davon überzeugt, dass die Chancen unserer Stadt größer sind als die schlechte Rede über sie. Wer dennoch schlecht über Weißenfels redet, reißt nicht nur die Stadt, sondern auch sich selbst in die Tiefe. Darum fordere ich Sie und mich gemeinsam dazu auf: „Liebe Weißenfelserinnen und Weißenfelser, junge, alte, neu hergezogene und auch die längst weggezogenen: Schaut auf eure Stadt!“

Schaut auf eure Stadt mit Stolz und mit freudiger Erwartung ob ihrer positiven Entwicklung. Weißenfels, du wilde Blumen an der Saale mit hartem Kern und weicher Schale – wir sind Teil von dieser wunderbaren Stadt – wie schön! Was wir alle brauchen, ist Mut. Mut für den Ausblick, Geduld für die kleinen, aber eben auch für die großen Themen. Die Vielseitigkeit unserer Dörfer stabilisiert Weißenfels. Wie auskragende Fundament, die aus Zusammenhalt und Mut gegossen sind.

Heute Abend sollen Sie nicht nur von der Musik schwärmen, wenn Sie wieder in Ihren Alltag zurückgehen, sondern vor allem auch von dem, was in der Stadt gerade geschieht. Wenn ich heute auf unsere Stadt schaue, dann bin ich all jenen zutiefst dankbar, die in die Sanierung von Gebäuden investieren. Vorgehobene Beispiele sind das Hofmarschallhaus in der Nikolaistraße, das Stadthaus gegenüber der Sparda-Bank, die gelbe Stadtvilla in der Dammstraße und einige Gründerzeithäuser in der Naumburger Straße. […] Unsere stadteigene Wohnungsverwaltung baut derzeit den Plattenbaubestand am Kugelberg zu modernen Wohnungen um. Und, das freut mich persönlich am meisten, die Baumaßnahme „Kinderland“ bzw. „Gasthof zum Halben Mond“ steht an. Die Arbeiten an den beiden historischen Gebäuden auf der Nordseite des Marktplatzes sollen im kommenden Jahr beginnen. In den kommenden Monaten folgen grundhafte Sanierungen barocker Häuser in der Großen Burgstraße 3-5. Und auch das Großvorhaben eines Nahversogers in der Innenstadt ist zum Greifen nah.

Hinzukommen fast 800 Millionen Euro Investitionsanzeige verschiedener Gewerbe- und Industrieansiedlungen in Weißenfels. Zum Ende dieses Jahres kommen noch etwa 30 Hektar vermarktungsfähige Gewerbefläche „Am Sandberg“ unmittelbar an der A 9 hinzu. Eine weitere Erfolgsgeschichte sind die Themenspielplätzen am Hirsemannplatz und am Stadtbalkon, die in diesem Jahr errichtet wurden. Im Neustadtpark, auf dem Klemmberg, in Weißenfels-West sowie nach und nach auch in den Ortschaften werden neue Spielplätze in den Quartieren entstehen. Es ist ein Paradebeispiel dafür, dass öffentliche Plätze Qualität bieten können, um kurzfristige Entlastungen für Eltern mit Kindern aller Nationen zu schaffen – wie hoch der Bedarf ist, ist an der Fülle an Kindern tagein, tagaus auf den entstandenen Plätzen gut zu beobachten. Ich erlebe Orte der Begegnung, die lange gefehlt haben.

Wer Kinder hat und/oder wer nachhaltig bauen möchte, der muss heute schon beim Erwerb von ausgewiesenen Baugrundstücken in der Stadt weniger zahlen. Wer künftig im Sanierungsgebiet des Gründerzeitquartiers in der Neustadt in den nächsten 15 Jahren auch steuerliche Vorteile haben möchte, der sollte sich mit einem Erwerb jetzt auseinandersetzen. Und für die Patrioten unter Ihnen: Sie helfen der Stadt und einem Stadtteil dabei, sich grundlegend zu verändern und sich zu verschönern. Es wird Wohnraum hergerichtet, der eine bürgerliche Mitte aus der Metropolregion Leipzig anspricht.

Zum Schluss sei von mir nochmal erwähnt, dass bei all dem, was ich aufgezählt habe, nur eines noch viel wichtiger ist: der Friede. Es gibt nur eine Option, verhandeln zugunsten des Friedens. Wer sich gegen Friedensbemühungen stellt, darf meiner Überzeugung nach in keinem Land die politische Verantwortung tragen. […].“ (Auszug Eröffnungsrede, Oberbürgermeister Martin Papke, 22. August 2024, Marktplatz).

Ich wünsche Ihnen schöne Spätsommertage und Mut. Mut, um gemeinsam die Stadt im Kleinen wie im Großen zu entwickeln.

Ihr Martin Papke
Oberbürgermeister der Stadt Weißenfels