Internationaler Tag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen: Weißenfels erinnert an getötete Frauen und ruft zu Zivilcourage auf
Anlässlich des Internationalen Tages zur Bekämpfung von männlicher Gewalt gegen Frauen fand am 25. November 2025 eine Veranstaltung an der Roten Bank vor dem Weißenfelser Rathaus statt. Die Stadt Weißenfels hatte gemeinsam mit dem Frauenhaus und der Gleichstellungsbeauftragten Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme eingeladen, um ein Zeichen für ein freies Leben ohne Gewalt zu setzen. Oberbürgermeister Martin Papke begrüßte die Gäste mit einer Rede. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Weißenfels Katja Henze und die Leiterin des Weißenfelser Frauenhauses Birgit Peterz trugen Redebeiträge vor. Im Anschluss erfolgte eine Fahnenhissung, an der neben den drei Rednerinnen und Rednern auch die Vorstandsvorsitzende des Frauenhausvereins Gisela Bevier, die Opferbeauftragte der Polizei Barbara Huschebeck und die Gleichstellungsbeauftragte der Bundeswehr Lena Förster teilnahmen. Zum Gedenken an die drei Femizide, die in diesem Jahr in Sachsen-Anhalt verübt wurden, legten die Beteiligten Blumen an der Roten Bank nieder. Die selbstgetöpferten Lichterfrauen des Weißenfelser Frauenarbeitskreises leuchteten auf dem Marktplatz. Zum Schluss erklang das Lied „Gabriellas Song“ aus dem schwedischen Film „Wie im Himmel“, der häusliche Gewalt thematisiert. Katja Henze trug die deutsche Fassung der Ballade, die von Freiheit und Selbstbestimmung erzählt, vor.
Gewalt gegen Frauen stellt weltweit eine gravierende Menschenrechtsverletzung dar. In Deutschland ist jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen – das sind mehr als 12 Millionen Frauen. Der gefährlichste Ort ist für sie das eigene Zuhause. Entsprechend des jüngst veröffentlichten Bundeslagebildes „Häusliche Gewalt“ des Bundeskriminalamtes haben im Jahr 2024 mehr als 135.700 Frauen Partnerschaftsgewalt erlebt. Etwa alle zwei Tage – in 132 Fällen – tötete ein Mann in Deutschland seine (Ex-)Partnerin. Insgesamt wurden in dem Jahr 308 Frauen getötet, weil sie Frauen waren. Bei Partnerschaftsgewalt sind rund 80 Prozent der Opfer weiblich. Unter den Tatverdächtigen dagegen sind Männer mit etwa 78 Prozent deutlich überrepräsentiert. In Trennungs- oder Scheidungssituationen sind Frauen besonders gefährdet. Ein erschreckendes Beispiel dafür war nicht zuletzt der mutmaßliche Femizid im August 2025 in Weißenfels. Birgit Peterz erinnerte in ihrer Rede noch einmal an die 47-jährige Frau, die von ihrem Ex-Mann mit Benzin übergossen und angezündet wurde und im Krankenhaus an ihren Verletzungen starb.
Die Statistiken des Bundeskriminalamtes sind erschütternd und alarmierend. Gewalt gegen Frauen hat in allen Bereichen zugenommen – wie auch schon in den Jahren zuvor. So wurden beispielsweise im Jahr 2024 mehr als 53.400 Frauen Opfer von Sexualstraftaten. Mehr als 18.200 Frauen und Mädchen erlebten digitale Gewalt, unter anderem durch Cyberstalking, Bedrohungen und Hasskommentare. Von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung waren in dem Jahr knapp 600 Frauen betroffen. Katja Henze verwies in ihrer Rede darauf, dass Gewalt gegen Frauen viele Gesichter hat. „Gewalt beginnt nicht erst mit Schlägen. Sie kann laut sein – in Form von Beschimpfungen, Drohungen, sexualisierter Gewalt. Und sie kann leise sein: ständige Kontrolle, Eifersucht, Demütigungen, wirtschaftliche Abhängigkeit, Isolation, Überwachung über Handy und soziale Medien“, sagte sie. Viele Frauen würden gar nicht erkennen, dass sie Gewalt erleben. „Genau darin liegt die große Gefahr – Gewalt schleicht sich ein, Schritt für Schritt, bis ein Mensch fast vergisst, wie sich ein Leben ohne sie anfühlt“, sagte die Gleichstellungsbeauftragte.
Die Zahlen des Bundeskriminalamtes bilden indes nur die Fälle ab, die den Strafverfolgungsbehörden bekannt geworden sind. Das Dunkelfeld ist groß, denn häusliche Gewalt geschieht meist im Verborgenen – „hinter verschlossenen Türen“. Viele Taten werden aus Angst, Scham oder Abhängigkeit nicht zur Anzeige gebracht. Die Anzeigequote liegt meist unter zehn Prozent, bei Partnerschaftsgewalt sogar unter fünf Prozent.
Mit der Aktion in Weißenfels soll verdeutlicht werden, dass Gewalt nicht als private Angelegenheit betrachtet werden darf. „Gewalt ist ein gesellschaftliches, ein strukturelles Problem – und sie betrifft uns alle“, sagte Martin Papke in seiner Rede. „Genau deshalb spielt die lokale Gemeinschaft eine so entscheidende Rolle – in unseren Familien, in unseren Schulen, in unseren Vereinen, in unserer Nachbarschaft“, sagte das Stadtoberhaupt. Die Stadt Weißenfels habe dies früh erkannt und setze beispielsweise mit dem „Lauf gegen Gewalt“ seit einigen Jahren ein sichtbares Zeichen für ein friedliches Miteinander. Zudem wurde seitens der Saalestadt eine Fortbildung zur Istanbul-Konvention und zum Gewalthilfegesetz durchgeführt – laut Martin Papke ein wichtiger Schritt, um Mitarbeitende und Fachkräfte zu sensibilisieren und kompetent zu machen. Die Saalestadt ruft die Bevölkerung dazu auf, hinzuschauen, Unterstützung anzubieten und ein klares Signal gegen jede Form von Gewalt zu setzen. „Es ist das Gefühl: Wir sind gemeinsam dagegen. Wir stehen an der Seite der Betroffenen. Es ist diese Gemeinschaft, die schützt, stärkt und Veränderung möglich macht“, fasste der Oberbürgermeister zusammen. Ein Anliegen, das auch Katja Henze unterstützt. „Gewalt an Frauen ist kein Frauenthema. Sie geht uns alle an – Frauen und Männer. Frauen weil sie oft direkt betroffen sind. Männer, weil sie entscheidend mitprägen, welche Haltung in Familien, Freundeskreisen, Vereinen und Betrieben gilt“, sagte die Gleichstellungsbeauftragte.
Hier gibt es Hilfe im Notfall:
Polizei: 110
Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 116 016 (anonym, 24/7 erreichbar)
Opfer-Telefon Weißer Ring: 116 006